Landwehrverein Schneidlingen von 1866

1. Vorgeschichte.

 

   In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts, gut dreißig Jahre nach der Erhebung Deutschlands gegen die napoleonische Fremdherrschaft, bildeten sich in allen preußischen Provinzen, besonders aber in Sachsen, Brandenburg, Pommern und Schlesien, zahlreiche Vereinigungen, in welchen sich die Kämpfer von 1813/15 zusammenschlossen mit dem ausgesprochenen Zweck, verstorbenen Kameraden das letzte Geleit zu geben. Diese Ehrung sollte verständlicherweise in militärischer Form vollzogen werden. Der damalige König Friedrich Wilhelm IV. kam diesem Wunsch jener alten Krieger gern entgegen, genehmigte die Bildung der Vereine und gestattete ihnen unter „allgemeiner Erteilung der Polizeilichen Erlaubnis die Abhaltung der militärischen Leichenparaden“ in bestimmt vorgeschriebenen Formen. Es geschah dies durch die „Allerhöchste Kabinettsordre“ vom 22. Februar 1842. Diese Verfügung ist weder durch das spätere Preußische Vereinsgesetz der Weimarer Republik noch durch das Reichs-Vereinsgesetz des 3. Reiches aufgehoben worden. Sie blieb daher als besonderes Gesetz für einen bestimmten Zweck bestehen und bildete – bis zur Auflösung der Kriegervereine 1945 – das Grundgesetz für die preußischen Kriegervereine, welche die „behördliche Genehmigung zur militärischen Begleitung der Leichen verstorbener Kameraden“ erwerben wollten und deshalb die Anerkennung als Kriegerverein im Sinne dieses besonderen Gesetzes nachsuchen und erhalten mußten.

   Die damals gegründeten Vereine alter Kriegsveteranen hatten also nur den einen Zweck – das feierliche Begräbnis ihrer verstorbenen Kameraden. Sie nannten sich daher auch „Militär-Begräbnis-Verein“. Im Kern jeder Vereinigung alter Soldaten, die ihrem Kriegsherrn treu ergeben waren, lag jedoch der Zweck, den die damaligen Kriegervereine ihren Satzungen nach auch als ihre vornehmste Aufgabe sahen: die Pflege der Königstreue. Den Beweis dafür erbrachten diese Kriegervereine auch schon gelegentlich in den Wirren der ereignisreichen Jahre 1848/49. Sie bildeten den Kern der königstreuen Bevölkerung und kämpften gegen die März-Revolutionäre.

   Aber die Natur forderte ihr Recht. Immer stärker lichteten sich die Reihen der Veteranen  und da nur Teilnehmer der Befreiungskriege aufgenommen wurden, fanden auch keine Neuzugänge statt. So mußte früher oder später die Zeit kommen, wo auch der Letzte zu Grabe getragen würde.

 

2. Gründung des Landwehrvereins.

 

  Zu neuem Leben erwachte das Kriegervereinswesen erst durch die siegreichen Kriege von 1864, 1866 und 1870/71.

   Da am Krieg von 1864 nur wenige Regimenter des IV. Armmekorps (Magdeburg) teilnahmen und nicht wesentlich in die Kämpfe eingriffen, hatte Schneidlingen verhältnismäßig wenig Kriegsteilnehmer und glücklicherweise auch keine Gefallenen zu beklagen. In einigen umliegenden Ortschaften kam es jedoch schon zur Gründung von Landwehrvereinen.

   Erst mit dem Krieg von 1866 gegen Österreich, wo das IV. Armeekorps, insbesondere die 7. Infanterie-Division, als Avantgarde die preußischen Truppen bildete, kam es zu einer stärkeren Beteiligung Schneidlinger Soldaten. Bei diesen Truppen befanden sich überwiegend Soldaten aus unserem Landwehrbezirk. Nach mehreren kleinen Gefechten, wobei die Österreicher immer mehr zurück gedrängt wurden, kam es am 3. Juli 1866 zur Entscheidungsschlacht bei Königgrätz.

   Im Swiep-Wald vor Cistowes waren das Füsilier-Bataillon vom Quedlinburger Infanterie-Regiment Nr. 67 und Halberstädter Musketiere vom 27. Infanterie-Regiment auf die Infanterie der Österreicher gestoßen. Es folgten schwere Gefechte, in deren Verlauf der Schneidlinger Füsilier Carl Salomon einen Schuß in die linke Schulter erhielt. Er verstarb am 25.07.1866 an den Folgen der Verletzung. Bei den ablösenden Musketieren vom Magdeburger Infanterie-Regiment Nr. 26 fiel der Schneidlinger Carl Brüggemann einer österreichischen Kugel zum Opfer. Insgesamt verloren in diesem Feldzug 6 Schneidlinger ihr Leben:

 

Cal Brüggemann

Ludwig Hartkopf

Andreas Joecke

Carl Jenrich

August Oelgart

Carl Salomon.

  

   Die heimkehrenden Krieger wurden allerorten mit großen Festlichkeiten empfangen. So auch in Schneidlingen und es entstand unter den Teilnehmern der Wunsch, einen Kriegerverein zu gründen. Im Antrag zur Vereinsgründung wurden 60 Mitglieder aufgeführt. Der Vorstand bestand aus Böttchermeister Friedrich Schiele als Hauptmann sowie Christian Lemgau und Carl Holländer.

   Am 11. November 1866 wurde auf „Allerhöchste Bestimmung“ das Friedensfest begangen.

  Schon am 15. Januar 1867, also etwa zwei Monate darauf, konnte der „Militär-Begräbnis-Verein“, wie er laut amtlichen Eintrages hieß, aus der Taufe gehoben werden.

   Bald schon kam der Wunsch nach einer Vereinsfahne auf. Es wurden auch diesbezügliche Vorstellungen dem Landratsamt unterbreitet. Die Vorderseite sollte einen Adler ohne Schriftzüge, umgeben von einem Eichenlaubkranz und die Rückseite einen Lorbeerkranz mit der Aufschrift 11. November 1866 in der Mitte zieren. Nach Beseitigung von Unstimmigkeiten zwecks Gestaltung und Finanzierung der Fahne ging der Auftrag zur Fertigung an eine Firma in Hannover. (Da diese Fahne nicht erhalten ist, kann man nur auf Grund alter Fotos Rückschlüsse auf das Aussehen derselben machen. So ist – teilweise – auf der Vorderseite ein Adler ohne Umkränzung zu sehen; auf der Rückseite der Schriftzug Landwehrverein Schneidlingen.)

   Der Verein unterstand dem Preußischen Landes-Kriegerverband, welcher auch die Grund-Satzung ausgearbeitet hatte, nach der die örtlichen Landwehrvereine ihre Satzungen erstellten.

   Allerdings sprach man im allgemeinen nie von einem Militär-Begräbnis-Verein. Diese Vereine wurden als „Landwehrverein“ bezeichnet, weshalb der Landes-Kriegerverband diese Umbennung ohne Satzungsänderung beschloß.

   Wie erwähnt wurde der 11. November als Stiftungstag gefeiert. Dies änderte sich jedoch nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Anläßlich des Sieges in der Schlacht bei Sedan wurde der Vereinsfeiertag auf den 2. September verlegt.

   Im Krieg gegen Frankreich waren, wie schon 1864, nur wenige Magdeburger Regimenter an den größeren Gefechten beteiligt. Die 7. Infanterie-Division hatte bei Beaumont ein siegreiches Gefecht bestanden. Die Halberstädter Kürassiere siegten bei Mars-la-Tours. Allein das 67. Infanterie-Regiment, das dem VIII. (rheinischen) Armeekorps unterstellt war, nahm an zahlreichen Gefechten teil.

   Aus der Gemeinde Schneidlingen waren in diesem Krieg 2 Soldaten ums Leben gekommen:

 

Friedrich Diedrich

David Rehwald

  

3. In der Friedenszeit.

 

   In den nun folgenden Jahren wurde der Landwehrverein des öfteren zu Festlichkeiten örtlicher und benachbarter Vereine eingeladen.

   Bestärkt durch die Reichsgründung fühlte man sich nun nicht mehr ausschließlich als Preuße, Bayer oder Sachse usw., sondern als Deutscher. Die Freude an der wiedergewonnenen Deutschen Einheit, die Freude über das Deutsche Reich waren das, was allen neuentstandenen Kriegervereinen gemeinsam war. Alle ehemaligen Soldaten, ob sie nun an Feldzügen teilgenommen hatten oder nicht, konnten in die Reihen der Landwehrvereine aufgenommen werden. Das Kriegervereinswesen war somit zu einer freiwilligen Fortsetzung der gesetzlichen Dienstpflicht in Heer und Marine geworden und ergänzte sich daher von selbst.

 

(K.-D. Salomon)